Alternativer und subsidiärer Übermittlungsweg gestützt auf Art. 10 Bst. b HZUe65 (direkter Verkehr zwischen den Justizbehörden)
Die Schweiz hat sich immer gegen den Übermittlungsweg von Artikel 10 Bst. b des Zustellungsübereinkommens (SR 0.274.131) zur Wehr gesetzt. Gestützt auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit, der in Artikel 21 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (SR 0.111) statuiert ist, müssen die schweizerischen Behörden entsprechend ebenfalls davon absehen, Übermittlungswege zu benutzen, die in der Schweiz unzulässig sind (vgl. Wegleitung, I.C.5).
Der Empfangsstaat kann jedoch darauf verzichten, sich auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit zu berufen (vgl. Wegleitung, I.C.5 und II.D.1.2.2). So haben die an der Sitzung der Haager Spezialkommission (Okt./Nov. 2003) anwesenden Staaten erklärt, dass sie gegenüber den Staaten, die Vorbehalte zu den Artikeln 8 und 10 angebracht haben, kein Gegenrecht fordern würden (siehe Punkt 79 der "Conclusions et Recommandations" von 2003). Es handelt sich dabei um die folgenden Staaten [siehe aber auch die Vorbehalte und Erklärungen des betreffenden Landes]:
- Belarus, Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien und Nordirland, Israel, Italien, Kanada, Kuwait, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweden, Spanien, Sri Lanka, Vereinigte Staaten von Amerika.
Unter den an der Sitzung der Haager Spezialkommission (Okt./Nov. 2003) anwesenden Staaten, existiert keine einheitliche Auffassung betreffend die Übersetzungserfordernisse (siehe Punkte 65 - 68 der "Conclusions et Recommandations" von 2003 sowie Empfehlung in Punkt 31 der "Conclusions et Recommandations" von 2009).
Das BJ empfiehlt bei Zustellungen gemäss Artikel 10 Bst. b des Zustellungsübereinkommens, vorbehältlich bilateraler Vereinbarungen, entweder eine Übersetzung der Urkunden in der Sprache des Empfangsstaates beizulegen oder zumindest den Abschnitt „Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks" des Musterformulars gemäss HZUe65 (S. 3 und 4) in der Sprache des Empfangsstaates auszufüllen und beizulegen, um Probleme bei der Anerkennung der Entscheide im Ausland zu vermeiden (vgl. Wegleitung, II.E.1.1; allerdings wird nicht in jedem schweizerischen Verfahren eine Anerkennung des Entscheides im Ausland erforderlich sein). Das BJ kann jedoch keine Garantie betreffend die Anerkennung der Schweizer Entscheide im Ausland geben.
Praktisches Vorgehen
In vielen Fälle wird es nicht möglich sein, die örtlich zuständige Justizbehörde zu bestimmen. Für Zustellungen in den Ländern Belgien, Frankreich, Italien und Luxemburg entspricht dies dem primären Übermittlungsweg gemäss den bilateralen Vereinbarungen mit diesen Ländern. Die in diesen Ländern örtlich zuständige Behörde kann auf den Länderseiten direkt ermittelt werden (Link). Auf diesen Seiten ist daher die Zustellungsform gestützt auf bilaterale Verträge mit direktem Behördenverkehr berücksichtigt. Zum Ermitteln der direkt zuständigen örtlichen Behörde kann der EU-Gerichtsatlas für Zivilsachen hilfreich sein.
Dokumentation
-
Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen
(HZUe65, SR 0.274.131)
- Art. 10 Bst. b HZUe65
-
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
(SR 0.111)
- Art. 21 Wiener Übereinkommen
- Wegleitung Zivilrecht (PDF, 855 kB, 09.07.2024)
- Conclusions et Recommandations 2003
- Conclusions et Recommandations 2009
- Vorbehalte und Erklärungen
- Musterformular gemäss HZUe65
Letzte Änderung 09.07.2020